Per Anhalter durch meine Galaxis - Gedanken und Geschichten nicht nur von dieser Welt

"The following statement is false:
The previous statement is true.
Welcome to our corner of the universe

Anonymous
Seefra Denizen
CY 10210"
(Andromeda: The Past is Prolix)

Sonntag, 18. März 2012

Sonntags-Pausen-Krimi 6: Gar nicht einfach

Gar nicht einfach

Es war nicht einfach, mit fünfunddreißig Jahren bereits Witwer zu werden. Plötzlich hatte man die Angelegenheiten seiner Angetrauten zu regeln, Nachlassverwaltung und solche Dinge. Wenigstens waren keine Kinder da. Und trotzdem war er nicht ganz allein in dem großen Haus, hatte er doch immer noch seine kleinen Lieblinge.
Es war nicht einfach, mit fünfunddreißig Witwer zu werden. Die fragenden Blicke der Angehörigen auf der Beerdigung. 'Sie war doch noch so jung! Wie hatte das passieren können?' Denen musste er standhalten. Auch verstand keiner von denen, warum er seine kleinen Lieblinge so mochte. Vielleicht, weil sie keine solchen dummen Fragen stellten.
Als Witwer hatte man es nicht leicht. Auch die Polizei stellte Fragen. Natürlich. 'Was hatte sie dort zu suchen gehabt?' - 'Ich weiß nicht, Herr Inspektor. Sie wusste doch, wie gefährlich sie sind. Und trotzdem ….'
Jetzt ein gekonnter Biss in die zitternde Unterlippe, damit man seine Erschütterung sah.
Denn es war wirklich nicht einfach, Witwer zu werden.
Fast wäre es ihm nicht gelungen.
Beinahe hätte sie ihn gar nicht erst geheiratet. Er war nichts Besonderes, hatte nichts außer seinem Charme. Es war ein Glücksfall, dass die reiche, junge Dame aus gutem Hause ihn erwählt hatte. Auch wenn sie selbst seine Zuneigung zu diesen … Tieren nie verstanden hatte. Sie hatte sie akzeptiert. Gut für ihn.
Schlecht für sie.
Es war gar nicht einfach gewesen. Sie ging niemals in den Raum, in dem er die Terrarien aufgestellt hatte. Also musste er dafür sorgen, dass einer seiner kleinen Lieblinge den Weg zu ihr fand.
Der australische Taipan war sein ganzer Stolz. Erst nach dem Einzug in das einsam gelegene Anwesen war ihm das Aufstellen eines Terrariums möglich gewesen, das geräumig genug für dieses Prachtstück war.
Dann war alles doch einfacher gewesen, als er erwartet hatte. Seinen Liebling nach dessen Besuch in den Räumlichkeiten seiner Frau wieder einfangen, zurück in sein Terrarium setzen, warten, bis das Gift nach dem schmerzlosen Biss seine Wirkung getan hatte – 'Ich weiß auch nicht, warum Dir so übel ist, Schatz. Leg' Dich doch ein wenig hin,' - dann die Leiche in das wohltemperierte Terrarienzimmer schleppen, so als habe sie sich selbst noch auf lebenden Füßen dort hin verirrt, all das bereitete ihm keine großen Schwierigkeiten.
Gar nicht einfach war es dagegen drei Monate später, eine Erklärung dafür zu finden, wie er es hatte übersehen können, dass es sich bei seinem Neuerwerb um ein eiertragendes Weibchen gehandelt hatte.
Und ein fleißiges Weibchen war es gewesen. Mindestens 15 Jungtiere hatte er aufgeschreckt, als er die Schmuckschatulle seiner toten Frau aus der Schminkkommode holen wollte.
Es stimmte, stellte er fest, während er langsam zu Boden sank, dass die Bisse des Taipans fast überhaupt nicht schmerzten.

Copyright Esther Koch 29.02.2012

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