Per Anhalter durch meine Galaxis - Gedanken und Geschichten nicht nur von dieser Welt

"The following statement is false:
The previous statement is true.
Welcome to our corner of the universe

Anonymous
Seefra Denizen
CY 10210"
(Andromeda: The Past is Prolix)

Sonntag, 4. März 2012

Sonntags-Pausen-Krimi 4: Selbsthilfe

Selbsthilfe

Elisabeth ließ die Zeitung sinken und lächelte. "Steuerbetrug: Staranwalt verhaftet!" lautete die Schlagzeile. "Neues belastendes Material aufgetaucht!"
Elisabeth kicherte.
Sie faltete das Morgenblatt zusammen und legte es auf das Frühstückstablett, das sie ihrem Ehemann jeden Tag ans Bett brachte.
"Dieses Schwein," dachte sie. "Endlich bekommt er, was er verdient."
Es war wirklich langsam Zeit gewesen, dass man ihm das Handwerk legte.
Er hatte nicht nur seine Klienten und den Staat um insgesamt mehrere Millionen betrogen. Auch seine arme Frau Christine, die nach einem Unfall, den er verschuldet hatte, im Rollstuhl saß, hinterging er nach Strich und Faden.
Kein Rock in seiner Kanzlei war vor ihm sicher. Er war zwar nicht mehr der Jüngste, aber er sah immer noch gut aus und ließ sich nicht lumpen, wenn seine Mitarbeiterinnen ein wenig … netter zu ihm waren, als es einem Arbeitsverhältnis geziemt hätte.
Vorsichtig nahm Elisabeth das Tablett, verließ die Küche und ging zum Schlafzimmer. Mit dem Ellbogen schob sie die Tür auf und trat ein.
"Guten Morgen, Schatz," rief sie, während sie auf das Bett zuging. Ihr Mann Alfred hatte sich bereits aufgesetzt und streckte die Hände nach dem Tablett aus.
"Ich danke dir, Liebling." Er nahm das Tablett entgegen und warf einen Blick auf den Wecker, der neben seinem Bett stand. "Es ist schon so spät. Musst du heute nicht weg?"
Elisabeth zog die Vorhänge auf und öffnete einen Flügel des Fensters. "Nein, mein Herz, heute nicht. Deswegen habe ich dich auch länger schlafen lassen." Sie ging auf das Bett zu und gab Alfred einen Kuss auf die Wange. "Brauchst du nachher Hilfe, oder möchtest du es erst alleine versuchen?"
Er stellte den Kaffeebecher ab, aus dem er genüsslich einen großen Schluck genommen hatte, griff nach der Zeitung und antwortete, "Wenn du mich jetzt schon so verwöhnst, dann werde ich mir nachher die größte Mühe geben, alleine zurechtzukommen."
Elisabeth warf Alfred eine Kusshand zu und ging wieder in die Küche.
Sie hielt einen Moment inne und dachte an ihren geliebten Alfred, der nach dieser verdammten Krankheit fast gelähmt war. Aber er war so tapfer. Sie hatten vor einigen Monaten begonnen, eine Selbsthilfegruppe für Gehbehinderte zu besuchen. Das hatte beiden Kraft gegeben. Sie hatten dort Freunde gefunden, die in ähnlichen Situationen waren. Elisabeth hatte über eine Teilnehmerin sogar eine Arbeitsstelle bekommen. Deren Mann hatte eine Privatsekretärin gesucht.
Elisabeth öffnete den Kühlschrank und holte eine Flasche heraus. Aus dem Schrank nahm sie drei Sektgläser. Sie hatte gerade alles ins Wohnzimmer getragen, als es läutete. Sie lief zur Tür und öffnete.
"Christine!" Elisabeth beugte sich herab und umarmte die Frau im Rollstuhl.
"Ach, Elisabeth," entgegnete die Besucherin. "Endlich konnten sie ihm alles nachweisen. Das hätte ohne dich und deine Mitarbeit nie geklappt."
Elisabeth schob die Anwaltsgattin ins Haus. "Nun ja, manchmal muss man sich eben selbst helfen. Und der Gerechtigkeit."

Copyright Esther Koch 18.02.2011

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