Verständnis für ein chronisches Leiden
Wir sind uns eigentlich recht ähnlich, Frau Wendt und ich. Zwei Kinder, die Chauffeurdienste benötigen und gefüttert und unterhalten werden wollen. Ein Ehemann, der für das "nur um sich selbst kümmern Müssen" regelmäßig von uns beneidet wird. Ein Haushalt, der sich nicht von selbst schmeisst. Ein Ex-Job ... Nur "fehlt" mir die Migräne.
Beim Lesen von Kirsten Wendts Erzählung vergeht mir dann doch das Jammern über meine eigenen Alltagszipperlein. Dank der anschaulichen und nachfühlbaren Schilderungen kann ich mir annähernd ausmalen, wie gut es mir doch eigentlich geht. Meistens zumindest.
Kirsten Wendts Werk sollte aber nicht nur als anschaulicher und trotz des dargestellten Leidens durchaus unterhaltsamer Einblick in ein Leben und in den durch eine chronische Krankheit aufs Äußerste beeinträchtigten Alltag gelesen werden. Zwischen den Zeilen ist es auch eine eindringliche Bitte um Verständnis oder wenigstens darum, doch zumindest ernst genommen zu werden.
Die wohlwollenden Ratschläge der Umwelt (und damit ist nicht die direkte Umwelt, die Familie, gemeint, sondern die nur sehr marginal von der Krankheit mit-betroffene Umwelt!) sind nett gemeint, aber nicht wirklich hilfreich. Die Betroffenen können sich nicht "zusammenreissen". Sie sind nicht medikamentensüchtig. Sie sind nicht einfach nur gestresst. Sie haben - herzlichen Dank - schon sämtliche schul- und alternativmedizinischen Spezialisten besucht. Sie sind nicht hysterisch. Sie treiben auch nicht zu wenig Sport. Sie sind krank und haben nur den Wunsch, dieses eine Leben, das sie haben, halbwegs normal leben zu können.
Und zu allem Überfluss ist ihnen auch noch schmerzlich bewusst, wie belastend die Situation nicht nur für sie selber ist, sondern auch für ihre Familienangehörige. Und dieses Wissen macht es ihnen nicht gerade einfacher.
Ich empfehle
Kirsten Wendts "Kopfmann" nicht nur Migräne-Betroffenen und deren Umfeld. Denn ein solcher Appell an das Verständnis der Mitmenschen sollte sich nicht auf das Thema Migräne beschränken, sondern zum Beispiel auch im Bereich Depressionen gehört werden. Auch hier sind die Betroffenen den gleichen eben erwähnten Ratschlägen und Vorwürfen ausgesetzt und leiden - zusätzlich - unter fehlendem Verständnis der Nicht-Betroffenen!
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen