Per Anhalter durch meine Galaxis - Gedanken und Geschichten nicht nur von dieser Welt

"The following statement is false:
The previous statement is true.
Welcome to our corner of the universe

Anonymous
Seefra Denizen
CY 10210"
(Andromeda: The Past is Prolix)

Sonntag, 16. Juli 2017

Positiv denken! Echt jetzt??

Life is what happens
while you’re busy making other plans.
- Beautiful Boy, John Lennon

Positiv denken! Echt jetzt??

„Tut mir leid, diese Hoffnung kann ich Ihnen nicht machen,“ antwortet der Arzt auf meine Frage, wie die Chancen stehen, dass mein Untermieter gutartig ist.
„Die Lage und das Aussehen sprechen dagegen.“ Ach, leck mich doch.
Zitternd und heulend – jetzt doch – liege ich auf seinem Bett im Ultraschallraum, während die Assistentin irgendwelche Folien mit den Stanzinstrumenten darin UIKEYINPUTDOWNARROWaufreißt. Aus dem Augenwinkel hatte ich sie beim Betreten des Raumes schon gesehen, aber absichtlich ignoriert.
Die in Folie gewickelten Instrumente – nicht die Assistentin. Die kann ja auch nichts dafür und ist überhaupt sehr freundlich.

Etwas bemüht freundlich dagegen fragt mich der Arzt, ob ich gerade ähnliche Fälle im Familien- oder Freundeskreis miterleben würde, oder warum ich jetzt so nervös sei …

HALLOOO?? Der hat mir vor ein paar Minuten das K-Wort um die Ohren geklatscht und fragt mich jetzt, warum ich so nervös bin???
„Wissen Sie, Krebs ist schon lange kein Todesurteil mehr. Und wir haben ihn jetzt sehr früh entdeckt. Ich sage Ihnen, das wird wieder gut. Das ist sehr gut zu behandeln.“
Blablabluppdankevielmals.

Es wird also wieder gut. Das ist dann tatsächlich die Aussage, die mich durch die nächsten Tage trägt.

Überhaupt lese und höre ich überall, ich solle doch in jeder Lebenslage positiv denken. Positiv? So positiv wie meine Biopsieprobe schließlich auf Krebs getestet wurde? So positiv wie der Schwangerschaftstest der 14-Jährigen, die ihrem Freund geglaubt hat, als dieser behauptete, er „passe schon auf“? So positiv wie die HIV-Tests von so vielen in den letzten Jahrzehnten?
Auch der Vater des Teenagers, der am Steuer von Papas Porsche erwischt und positiv auf Hasch getestet wird, macht sicher vor Freude ne Flasche Schampus auf!

„Always look on the bright side of life“! Auch wenn Du schon am Kreuz hängst!!!!

„Freu Dich doch, es hätte schlimmer kommen können.“ Und ich freute mich – und es kam schlimmer …

Woran ich allerdings fest glaube, das ist positive Energie. Genauso wie an negative Energie. Beide können um uns herum, aber auch in uns selbst sein. Und wir können sie auch selbst erzeugen, oder zulassen.
Negative Energie – oh, und bitte, das hier ist jetzt meine ganz persönliche Ansicht, keine Doktrin, mit der ich irgendwen missionieren will! Widerspruch ist zulässig, wird aber ignoriert. Nicht böse sein deswegen – negative Energie produziert man, wenn man sich jetzt in irgendeine Ecke setzt und anfängt zu hadern. Sich am Ende noch fragt, „Warum ich? Was habe ich falsch gemacht? Doch zu viel Rotwein? Zu wenig Sport? Zu selten an mich selbst gedacht? Ist das die Strafe dafür, dass ich mich zu selten um meine Eltern gekümmert habe? Bin ich eine dieser Krebs-Persönlichkeiten?“

Bitte nicht!! Das lieber sein lassen!
Ich bin eine kleine Nummer in einer großen Statistik. Und jetzt hat es mich halt erwischt. Klar trinke ich zu viel Rotwein und treibe zu wenig Sport. Aber das hätte auch zu Herz- oder auch gar keinen Problemen führen können.

Positive Energie erhalte ich von meiner Familie, die überzeugt ist, dass der vor uns liegende Weg nicht leicht, aber machbar sein wird. Und dass „es wieder gut wird“.
Ich erhalte sie von meinen Freunden und Freundinnen, die sowieso schon immer für mich da waren, aber die mir jetzt so gewaltigen Zuspruch geben, dass mich mit jeder neuen WhatsApp Tränen der Rührung schütteln.

Besonders beeindruckt hat mich die Nachricht einer Freundin, der ich vor vielen, vielen Jahren nach einer Fehlgeburt tröstende Wort geschickt hatte, und die diese Worte jetzt an mich zurückgeschrieben hat. Es ist schön zu sehen, dass man Spuren hinterlassen und Eindruck gemacht hat.

Sollte ich doch wie Brian am Kreuz hängen, sehe ich es positiv: Es bleibt mehr von mir zurück, als meine beiden Söhne, mein einziger jemals fertig gewordener Roman und die paar Gläser Marmelade aus der diesjährigen Johannisbeerernte …


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