Per Anhalter durch meine Galaxis - Gedanken und Geschichten nicht nur von dieser Welt

"The following statement is false:
The previous statement is true.
Welcome to our corner of the universe

Anonymous
Seefra Denizen
CY 10210"
(Andromeda: The Past is Prolix)

Donnerstag, 9. August 2012

Neuer, Besser, Schöner, Preiswerter

Inspiriert von der immer noch fleißig entrümpelnden Carola habe ich mal auf meinem USB-Stick herumgerümpelt, um eventuell verwertbare Krimi-Text-Fragmente aufzustöbern. Gefunden habe ich, passend zu Carolas Thema, unter anderem das unten folgende Gedankenspielchen.

Interessanterweise hatte ich die Fortsetzung schon früher mal gefunden und gepostet.


Neuer, Besser, Schöner, Preiswerter

    Wir sind wirklich immer dankbar für das Wochenblättchen, welches wir mittwochs in der Zeitungsrolle vorfinden. Interessant sind auch die Informationen in der kostenlosen Konkurrenzwurfzeitung, die uns pünktlich jeden Samstag erreicht. Sie sind beide wirklich nützlich und werden gerne gelesen. Keine Frage.

    Und einmal ausgelesen und per Scherenschnitt um wichtige Veranstaltungsdaten oder Telefonnummern von Ämtern und Dienstleistern erleichtert, dienen sie wunderbar als Fidibus oder zum Fensterscheibenpolieren oder als Sandunterlage im Vogelkäfig.

    Das eigentliche Problem stellt die Tatsache dar, dass mittlerweile die „Beilagen“ besagter Wochenblättchen aufeinandergelegt dicker sind als die jeweiligen Zeitungen selbst.

    Hand aufs Herz. Wir kennen sie alle. Die kleinen aber leider rasch wachsenden Stapel an Prospekten und Werbeblättchen, die alltäglich ihren Weg in unseren Briefkasten finden und uns klarmachen wollen, dass es da draussen so unendlich viele Dinge gibt, ohne die wir unmöglich noch weiterhin leben können.

    Ab und zu folgen wir sogar dem einen oder anderen Ruf eines ach so uneigennützigen Möbelhauses oder Gemischtwarenhandels, dem nichts so sehr am Herzen liegt, wie das Bestreben, uns das Leben leichter zu machen. Sie wollen doch alle nur unsere Bestes – was immer das in diesem Falle sein mag.

    So haben wir also auf der einen Seite die Werbeprospekte, die in unglaublicher Geschwindigkeit entweder die Ablage neben der Garderobe in der Diele oder – im Falle gewissenhafterer Zeitgenossen – die Papiertonne vor oder hinter dem Haus füllen.

    Auf der anderen Seite sind da die kleinen Versuchungen, denen wir dann ja auch erliegen, uns immer mehr „nützliche“ oder hübsche Dinge zuzulegen, die ja gerade im Moment so preiswert sind. Vor allem im Zehnerpack!

    Es gibt da den seltenen Glücksfall, einen Gegenstand zu einem tatsächlich günstigen Preis zu erwerben, den wir wirklich gebrauchen können und das dann auch in der Tat machen! Und im alleridealsten Fall erleichtert er uns das Leben, spart uns Zeit – möglicherweise sogar Geld – und ermöglicht es uns, zwei oder drei andere Gegenstände entbehrlich zu machen, von denen wir uns dann trennen können.

    Aber dieser Umstand ist, wie gesagt, selten. Die meisten ohne gründliche Überlegung erworbenen Gegenstände werden nach kürzester Zeit zu Nippes, Zeug, Ballast. Sie stauben auf Regalen ein oder verstopfen Schubladen. Oder sie nötigen uns, auf den Ruf eines dieser netten, uneigennützigen Möbelhäuser zu hören und unseren Lebensraum mit weiterem Zeuglagerungsmobiliar vollzustellen, ein Regal oder ein Rollschränkchen, das ja gerade so günstig zu haben ist.

    Aber mal ehrlich. Wer hat denn schon Zeit, bei der heutigen Flut an Werbeprospekten noch darüber nachzudenken, ob man das eine oder andere wirklich braucht oder nur zu brauchen glaubt, weil es ihm eingeredet worden ist.

    Man könnte fast auf den Gedanken kommen, diese Werbungsflut sei absichtlich und gewollt, DAMIT wir nicht nachdenken.... Aber wer will schon so paranoid sein ....

    Am besten, man wirft sämtliche Werbung direkt und unbesehen in unseren guten alten Freund, die blaue Tonne. Aber ... wenn wir dabei nun doch und wirklich das Geschäft unseres Lebens übersehen?

    Ich frage zurück: Wäre das so schlimm? Und wie müsste DAS Geschäft Ihres Lebens denn aussehen? WAS genau fehlt denn in und an Ihrem Leben, das Ihnen der Blick in den Werbeprospekt und die anschließende Fahrt ins Einkaufszentrum geben könnten?

    Meine Antworten darauf wären, nach jahrelangem Kampf mit der Werbung und dem doch immer wieder enttäuschten Wunsch nach einem besseren, einfacheren, saubereren Leben: Nein. Keine Ahnung. Nichts.

    Fragen Sie sich wirklich mal: Was fehlt? Stellen Sie sich diese Frage doch mal, nachdem Ihnen wieder die Prospekte aus dem Wochenblatt auf dem Weg vom Briefkasten zur Wohnung schrittweise vor die Füsse gefallen sind, weil sich der ganze Papierkram nicht mehr mit einer Hand bewältigen lässt. Fragen Sie sich, wenn sie wieder mal fünf oder zehn kostbare Minuten Ihres Lebens mit dem Durchblättern von Werbung verbracht haben. Fragen Sie sich, wenn Sie sich wiederholt darüber geärgert haben, dass der Papierkorb schon wieder geleert werden muss, und Sie sich auf dem Weg zur blauen Tonne einen Leistenbruch holen, obwohl der von Ihnen persönlich verursachte Papiermüll nur ungefähr zwanzig Gramm schwer war und aus einem einzigen zerknüllten Blatt Papier bestanden hatte.

    Die Antwort könnte lauten: Mir fehlen Zeit und Raum, beides Garanten für Lebensqualität, wie sie uns von nichts geboten werden kann, was die Werbung uns anpreist.

    Was also tun? Wir werden der Werbeflut nicht entgehen. Es sei denn wir entfernen unseren Briefkasten samt Zeitungsrolle, oder wir verschönern beides mit einem „Bitte keine Werbung“-Aufkleber.

    Nun möchten wir ja manchmal auch nicht auf jede Art der Werbung verzichten. Wohl dem, der das will und kann. Tonne neben den Briefkasten. Werbung rein. Problem gelöst. Aber essen müssen wir und unsere Haustiere ja nun doch. Und wer freut sich nicht, einen Rollbraten für 2,99 € das Kilo am Sonntag auf den Tisch bringen zu können. Aber über ein solches Schnäppchen informiert uns nunmal – na? - der Werbeprospekt des Supermarktes mit den vier Buchstaben,-! Und sechs Dosen des – ich nehme mal an – leckeren, vitaminreichen Senioren-Hunde-Futters zum Preis von fünf? Klasse! Danke für den Hinweis, „Futtertrog“-Prospekt!

    Meine Strategie: Eine genaue Vorstellung davon haben, welche Prospekte ich mir überhaupt ansehe. Alle anderen wandern direkt in den Korb.

    Aber welche sehe ich mir an? Den vom vier-Buchstaben-Supermarkt – aber ausschließlich die Lebensmittelseiten! Dahinter gibt’s doch nur wieder „Zeug“. Die „Futtertrog“-Hundeseiten, aber mein Augenmerk konzentrierend auf Futter und eventuell Leckerlies. Mit Spielzeug, Leine und Decken sind meine Wauzis ausgestattet und werden von teuren (oder gerade im Augenblick unglaublich preiswerten) Hunde-Lounge-Betten auch nicht glücklicher oder jünger.

    Was blättere ich gar nicht erst durch? Elektronikmärkte, wenn nicht gerade eine Neuanschaffung von TV, Waschmaschine oder Ähnlichem geplant ist. Möbelprospekte, da ich nur jeweils in einem Bett gleichzeitig schlafen kann und lieber Klamotten oder Bücher oder Geschirr oder Küchenutensilien aussortiere, als mir noch mehr Unterbringungsmöbel in den Weg zu stellen.

    Prospekte von Geschäften, zu denen ich eine Strecke von mehr als fünfzig Kilometer zurücklegen müsste, sind auch völlig uninteressant.

    Und wenn wir nun einmal, nur ein einziges Mal und nur so zum Spaß, diese beiden Stapel, die Prospekte, die wir durchsehen und die uninteressanten, nebeneinanderlegen und die Dicke vergleichen, könnte uns durchaus die Wut packen beim Gedanken daran, wievielen Menschen in anderen Teilen der Welt das Leben hätte gerettet werden können, wenn weniger Geld für Werbung ausgegeben worden wäre.

    Geld, das im Prinzip entweder direkt im Müll landet, oder das uns dazu verleitet, selber noch mehr Geld auszugeben für Dinge, die unser Leben weder schöner noch länger noch besser machen.

    Wenn jeder von uns von vorneherein wüsste, was er wirklich zum Leben BRAUCHT, was für unser Leben wirklich WICHTIG ist, und sich davon auch nicht abbringen ließe, wäre Werbung vermutlich so notwendig wie ein Katzenklo in der Vogelvoliere, und es würden unschätzbare Mittel frei, die für weitaus wichtigere Dinge in unser aller Leben nötig wären.

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