Per Anhalter durch meine Galaxis - Gedanken und Geschichten nicht nur von dieser Welt

"The following statement is false:
The previous statement is true.
Welcome to our corner of the universe

Anonymous
Seefra Denizen
CY 10210"
(Andromeda: The Past is Prolix)

Sonntag, 29. September 2013

Monty Kong


Let's talk about toys, babies!




    Ich habe viele schöne, weiche, hüpfende, rollende, quietschende, fliegende, bekaubare, zerkaubare, zerrupfbare Spielsachen. Also, wirklich Spielsachen, die auch tatsächlich echt mir gehören. Spielsachen, bei denen Mami oder Papa nicht armwedelnd angerannt kommen, um sie mir wegzunehmen, wenn ich mich eben damit an einen meiner Lieblingplätze zurückziehen will, um ihr Innenleben freizulegen.



    Hier sind ein paar davon:

Mein nicht-mehr-ganz-Tausendfüßler und mein Kuschelhund

       




Mein Kau-und-Zerrhandtüchlein



Mein Quietschestern. Vorher und nachher.



Mittlerweile hat Mami ihn aber gewaschen, und er sieht FAST wieder so aus wie auf dem ersten Bild.


Mein Kau-und-Zerrring.
Der hatte früher noch so ein mit Watte gefülltes Stoffdings in der Mitte. Mami hat mir nie erlaubt, die Watte zu essen, aber wenigstens habe ich das Stoffdings weggekaut und kann nun mit dem Ring tolle Sachen wie diese hier machen:



Meine Kau-, Zerr-, Zerrupf- und Verkleidungsserviette

          


Meine Dynamitstange





Und natürlich ...


Mein KONG!




    Mami hat mir ein bisschen was über den Kong erzählt. Der ist aus Naturkautschuk und es gibt ihn wohl tatsächlich schon seit über 30 Jahren! Unvorstellbar lange für einen kleinen Hund wie mich. Es gibt Kongs in den verschiedensten Formen, Farben, Stärken und Größen. Meiner heißt Kong Classic - das ist der mit dem großen und dem kleinen Loch - und auch den gibt es schon in gefühlten hundertachtundvierzig Farben und sechs Größen. Von dem für klitzekleine Chihuahuawelpen bis hin zu einem, der für meinen Deutschen Doggenfreund Aris geeignet wäre, wenn er dann mal ausgewachsen ist.
    Wir verdanken den Kong übrigens einem deutschen Schäferhund namens Fritz, der seinem Herrchen mal ein Teil eines alten Autos angeschleppt und ihn so auf die Idee gebracht hat.


Mit dem Kong kann man tolle Sachen machen!

    Mami füllt meinen Kong oft mit Leckerlis in verschiedenen Größen, die ich dann herauspulen soll. Aber ich pule nicht immer. Meistens hebe ich den Kong hoch, lasse ihn wieder fallen und sammle einfach die herausgepurzelten Leckerlis auf. Das mache ich ein paarmal und bringe Mami den leeren Kong zurück.
    Schwieriger, aber auch viel leckerer wird es, wenn Mami Leberwurst oder mit Matschefrüchten vermischten Quark hineinschmiert. Dann muss ich wirklich intensiv daran herumlutschen, um alles herauszubekommen. Das funktioniert anfangs auch mit Hochheben-und-Fallenlassen. Dann muss man aber das herausgespritzte Innere vom Boden und den Wänden wieder ablecken. Und DIESES Verfahren macht Mami ganz offensichtlich NICHT glücklich!
    Die Innereienspritzer springen nicht ganz so weit, wenn Mami eine Mischung aus Leberwurst und festen Leckerli in den Kong hineinstopft, aber ganz so einfach wie nur mit festen ist es natürlich immer noch nicht.
    Hochheben-und-Fallenlassen funktioniert GAR nicht, wenn Mami den Kong mit Matschefruchtquark in den Gefrierschrank gelegt hat, wo sie auch immer mein Barffleisch drin aufbewahrt. Das ist dann angenehm kühl - besonders wenn die alten und neuen Zähne sich gerade im Maul um den Platz prügeln - schmeckt trotzdem gut und ist eine noch größere Lutschherausforderung.
    Sauber bekommt sie ihn übrigens nach dem Schmieren und Lutschen mit warmem Wasser, Spülmittel und einer Flaschenbürste. In die brummende Maschine, die so fein riecht, vor allem, wenn sie noch nicht gebrummt hat, und in der ich aber natürlich nicht herumschlabbern darf, will sie ihn nicht stecken. Sie sagt, die Maschine macht das Gummi kaputt.

    Aber der Kong ist natürlich nicht nur ein futuristisch geformter Futternapf! Er ist auch ein Spielzeug. Da er aus Gummi ist, mal weicher, mal härter, kann er auch hüpfen. Es macht viel Spaß, wenn das jüngere Herrchen den Kong wirft, damit ich ihn fange oder ihm hinterherrenne und dann zurückbringe. Da der Kong auch nicht rund ist wie ein Ball, sondern eine - wie Mami sagt - Michelinmännchenform hat, weiß man auch gar nicht, wo er hinhüpfen oder -rollen wird. Das ist spannend!
    Noch spannender wird es, wenn man den Kong ins Obergeschoss trägt und ihn dann von dort runterschubst. Entweder die Stufen hinunter oder gleich die Galerie hinab. Man weiß dann nie, wo er liegenbleibt, da er ja unvorhersehbare Bewegungen macht. Es kann dann auch sein, dass er zwischen zwei Stufen hindurchrollt und direkt ins Untergeschoss purzelt. Das garantiert zusätzlichen Suchspaß.

    Der Kong ist aber auch - darauf kommt Ihr nie! - ein Musikinstrument! Wenn man den Kong, sofern er die richtige Größe hat, hochkant ins Maul nimmt, dann kann man durch die beiden Löcher hindurch atmen und dabei tolle Töne erzeugen!
    Besonders verblüfft war Mami, als ich mit dem Kong im Maul hinter ihr stand und ... naja ... zufällig gerade rülpsen musste. Natürlich durch den Kong hindurch. Also, ich persönlich war in dem Moment von der Akustik dieses Klangkörpers beeindruckt! Sonst machen meine Rülpser ja so gut wie gar keine Geräusche, weil ich als wohlerzogener Junghund natürlich das Maul dabei zulasse. Aber mit Kong drin geht das eben nicht. Mami ist ganz schön zusammengezuckt!
    Ein anderes Mal saß ich mit dem Kong im Maul neben der am Schreibtisch tippenden Mami und wartete. Und atmete. Tief. Entspannt. Geräuschvoll. Mami drehte sich zu mir herum und sah mich eine ganze Weile an, während ich da so vor mich hinatmete. Könnt Ihr mir erklären, warum sie mich dann Dog Vader genannt hat?

    Auch als Türstopper kann man den Kong verwenden. REIN ZUFÄLLIG ist er mir davon und dorthin gerollt, gerade als Mami den Kühlschrank offen hatte, um Sachen hineinzustellen. ZUM GLÜCK achtet sie immer darauf, dass die Kühlschranktür richtig schließt, damit die Lebensmittel darin nicht verderben. NICHT AUSZUDENKEN, wenn sie meinen Kong nicht rechtzeitig entdeckt und weggekickt hätte. Dann hätte ja ICH die Lebensmittel vor dem Verderben retten müssen ... grrrrrr.
    Aber vielleicht funktioniert das ja auch mit der Speistür. Da steht der interessante gelbe Sack drin ... Aber auch da achten alle immer auf eine geschlossene Tür und würden meinen Stopperkong sicher entdecken. GRRRRRR!

    Wenn ich nächsten Samstag Halbgeburtstag habe, schenkt mir das ältere junge Herrchen, von dem ich auch die Dynamitstange habe, vielleicht einen größeren Kong, wo noch mehr Leckereien hineinpassen, die dann durch die größeren Löcher auch leichter herausfallen.

    Und wenn ich aus DEM Kong dann herausgewachsen bin, möchte ich gerne ein Michelinmännchen haben!
   

Liebe Grüße

Euer Monty














Samstag, 14. September 2013

Monty und die Autos - Das nächste Kapitel



Dass ich Autos nicht mag, hab ich ja schon mal erwähnt, oder?

Nun, mittlerweile kann ich wirklich sagen, ich finde sie zum Kotzen!

Immer wenn Mami mir das Brustgeschirr anlegt, weiß ich, jetzt muss ich gleich ins Auto. Wenn sie dann noch zur kurzen 2m-Leine greift, anstatt zur schicken, langen, 8m-Flexileine, bin ich SICHER: Ich ... muss ... gleich ... ins ... §(/%)"&%§ ... Auto!!!
Wenn Mami mich dann von der Haustür bis zum Auto fast auf dem Bauch hinter sich herschleifen muss, hat sie zwar diesen "Es tut mir ja leid, aber es muss sein"-Blick drauf, der mir im Endeffekt aber auch nicht weiterhilft.

Vor allem weiß ich ja nie, wohin wir fahren, beziehungsweise wie lange die Autofahrt dauern wird. Bis zur Hundeschule geht es ja immer noch. Da haben wir viele Ampelpausen, und Mami fährt auch nie lange schnell, weil meistens zu viele andere Autos da sind.

Aber gestern musste ich zur Tierärztin, weil sich so eine Doofzecke bei mir über dem Auge festgebissen hatte, und Mami und Papa sie nur zur Hälfte herausbekommen haben. Das wurde dann dick, und Mami meinte, Frau Doktor sollte sich das mal ansehen.

Frau Doktor ist nett. Da gehe ich gerne hin. Ich muss mich da auf eine große Platte stellen, dann ruft die Assistentin der Ärztin Zahlen zu, und ich bekomme ein Leckerli. Dann werde ich auf einen Tisch gesetzt und bekomme ein Leckerli. Dann grabbelt die Ärztin an mir herum, und ich bekomme ein Leckerli. Dann setzt Mami mich wieder auf den Boden, und ich bekomme ein Leckerli. Wenn Mami der Frau Doktor bunte Scheine in die Hand gedrückt hat, sagen wir auf Wiedersehen, und ich bekomme ein Leckerli.

Leider ist die Fahrt zur Tierärztin und dann auch wieder nach Hause GERADE lang genug, dass mir im $}@§# Auto schlecht wird.
Das war schon so, als ich noch im Fußraum gereist bin und ist jetzt auch nicht anders, wo ich einen geräumigen Sitzplatz auf der Rückbank habe. Da kann ich toll aus dem Fenster gucken, aber das hilft leider auch nicht.


So skeptisch wie ich gucke, so mies fühl ich mich auch

Also waren wir gestern unterwegs zur Ärztin. Irgendwann habe ich gemerkt, dass ich es nicht mehr lange aushalte und habe ein bisschen gewimmert. Mami hat das gehört, aber gesagt, sie könnte jetzt nicht anhalten, und wir seien bald da.

Waren wir auch. Aber ...

*Gjaps*

Ins Auto hinein, auf den Rücksitz, auf meine Decke. Mami hat bei der Ärztin geparkt und mich aus dem Auto geholt. Dann hat sie meine bereiherte Decke ein bisschen sauber gemacht und andersherum gefaltet, damit ich bei der Rückfahrt nicht im Dreck liegen muss.

Während Mami das Auto geputzt hat, habe ich auf den Parkplatz ...

*Hirrgs*

"Na, das lassen wir aber liegen. Es regnet sicher bald mal wieder," hat Mami gesagt.

Danach ging es mir wieder besser, und ich habe mich schon auf die Leckerlis gefreut.

Große Platte - Leckerli - Tisch - Leckerli ... Was dann kam, vergesse ich lieber ganz schnell. Die haben an meinem Auge rumgefummelt, das hat wehgetan ... Leckerli - Plastikkarte in kleine Maschine - Lecker ... Iiiihhhh!! Ingwertablette haben sie das genannt! Und das sollte angeblich gegen das Autogekotze helfen ...

Mami und ich sind dann noch ein bisschen spazieren gegangen, damit die Tablette wirken konnte. Wir wollten dann auf dem Heimweg noch zur Apotheke, um etwas zu besorgen, zu dem Mami und die Ärztin Fuchs Fobika* oder so gesagt haben.

Also sind wir wieder gefahren und gefahren und ...

kurz vor der Apotheke ...

*Hualp*

Auf die saubere Seite der umgefalteten Decke und meine rechte Vorderpfote. Und das ROCH jetzt auch noch nach dieser komischen Tablette, die offensichtlich NICHT direkt gegen Autogekotze geholfen hatte.

Daraufhin ist Mami allein in die Apotheke gegangen. Aber ich war auch ganz froh, mich erst mal nicht bewegen zu müssen.

Zuhause war ich dann nach dem Saubermachen tierisch hungrig, aber auch seeehr müde. Da hat es mich nicht gestört, dass Mami mir anstelle der leckeren Pansenportion nur zehn klitzekleine süße Kügelchen ins Maul gegeben hat, und ich noch eine Weile auf mein Mittagessen warten musste.

Mami will das mit den Kügelchen jetzt jedesmal machen, bevor wir autofahren müssen. Außerdem bekam sie den Tipp, das Radio nicht einzuschalten, und mir Ingwerkekse zu geben. Schon wieder Ingwer? Obwohl Kekse ja ganz lecker klingt. Dann gibt es da noch etwas, das Cocculus heißt, und das man auch in der Apotheke bekommt. Oder auch Bachblüten.
Fressen soll ich nichts vor Autofahrten. Aber mein Frühstück war doch schon vier Stunden her gewesen!
Ich weiß nicht, ob ich die Idee mit der Box gut finden soll. Das klingt nach klein und eng. Obwohl Mami manchmal was von einer blauen Box erzählt, die innen größer ist als außen ... Aber dafür müsste ich zu einem anderen Doktor, sagt sie.

Ich werde Mami mal fragen, ob es nicht vielleicht reicht, wenn sie sich und mich und das Auto nicht ganz so rasant in die Kurven legt ... Oder mich daheim lässt. Aber dann kann ich nicht mehr mit meinen Freunden in der Hundeschule spielen. Und die Leckerlis bei der netten Tierärztin bekomme ich auch nicht mehr.

Zum Kotzen ist das!

Lieben Gruß

Euer Monty


(*Anmerkung der Mami: Nux Vomica!)








Sonntag, 1. September 2013

Sonntags-Pausen-Krimi 18: Spuren


Spuren

Mein Name ist Montgomery Leopold, und mein bester Freund ist vor fünf Nächten ermordet worden.
    Ich kannte ihn fast mein ganzes Leben lang, und seit mehr als zwölf Jahren wohnten wir zusammen. Ich mache mir schreckliche Vorwürfe, weil es unter unserem gemeinsamen Dach passierte, während ich ein Stockwerk höher lag und schlief. Leider höre ich nicht mehr so gut wie als junger Spund.
    Deshalb bekam ich es nicht sofort mit, wie mein alter Freund Gordon, der noch einmal die Treppe hinabgestiegen war, um sich einen Schlummertrunk zu genehmigen, wie er es manchmal tat, wenn der Tag sehr aufregend gewesen war, diesen Einbrecher im Kaminzimmer überraschte. Ich spürte plötzlich, dass etwas nicht in Ordnung war. Aber als ich unten ankam, war es bereits geschehen.
    Die Polizei sagte, es sei ein kurzer Kampf gewesen, in dessen Verlauf der Einbrecher den Schürhaken zu greifen bekam und ihn Gordon über den Schädel zog. Leider scheint die Polizei nicht genügend Hinweise zu haben, um auch nur einen Verdacht aussprechen zu können. Ein durchreisender Gelegenheitseinbrecher, vermuten sie.

    Ich hoffe, Gordons Sohn Dexter sorgt dafür, dass ich mit zur Beerdigung komme. Ich kann leider nicht selber Auto fahren, und zum Laufen ist es mir mittlerweile wirklich zu weit.
    Dexter wird sich jetzt auch um mich kümmern, die gute Seele. Es wäre schlimm, wenn ich mich auf meine alten Tage alleine durchschlagen müsste.

    Am Tag nach dem Einbruch schlich ich mich an der Polizei vorbei ins Kaminzimmer, um mich dort ein bisschen umzusehen. Ich weiß nicht, warum ich das tun musste. Und hätte ich es nur besser nicht getan.
    Dort hatte er in der Nacht zuvor gelegen, mein alter Freund. Der Blutfleck war noch im dunklen Teppich zu erkennen. Genauso wie die anderen Flecken. An denen standen allerdings keine kleinen Schildchen mit Nummern, wie am großen Blutfleck und dort, wo der Schürhaken und die verstreuten Scherben von Gordons Schlummertrunkglas gelegen hatten. Aber diese Flecken verteilten sich doch über die ganze Strecke zwischen Kamin und Terrassentür. Wie konnten sie die übersehen haben? Nun gut, dunkle Flecken auf dunklem Teppich. Aber trotzdem fand ich das schlampig.
    "Ach, da sind Sie ja, Mr. Leopold." Dexter stand plötzlich in der Tür zum Kaminzimmer. Er hatte mich schon immer Mr. Leopold genannt, obwohl ich gegen Montgomery auch nichts einzuwenden gehabt hätte. Ich hatte den Jungen vom ersten Tag an gemocht.
    "Was machen Sie denn ausgerechnet hier?"
    "Ich wollte mich nur etwas umsehen."
    "Kommen Sie. Es ist mittlerweile Zeit für's Abendessen. Sie müssen etwas essen. Ich mache mir ohnehin schon Sorgen um Sie."
    Ich schlurfte mit hängendem Kopf hinter Dexter her aus dem Kaminzimmer hinaus. Ich hätte wirklich nicht noch einmal dort hinein gehen sollen. Der Schmerz über den Verlust meines besten Freundes traf mich mit voller Wucht, als sich die Tür hinter uns schloss. Mir wurde schwarz vor Augen und meine Knie wurden weich.

    "Mr. Leopold," hörte ich Dexters Stimme aus weiter Entfernung, "ich sagte doch, Sie müssen etwas essen! Wenn Sie sich weigern, rufe ich Dr. McGregor!"
    "Lass nur, Junge."
    Er hatte recht. Das warme Ragout tat wirklich wohl.
    "Und, Mr. Leopold," sagte er, ohne mich und mein Ragout aus den Augen zu lassen, "Sie haben sicher nichts dagegen, dass ich erst einmal hier einziehe. Dann sind wir beide nicht so alleine."
    Ich nickte dankbar und kaute weiter.
    "Nur werde ich das Haus vermutlich nicht halten können," fuhr er fort. "Ein so großes Anwesen. Aber ich will ja Vaters Testament nicht vorgreifen. Vielleicht haben Sie ja das Haus geerbt."
    Er lachte und trank einen Schluck Rotwein.
    "Aber ich fürchte, das würde nichts an dem Problem ändern, dass es verkauft werden muss. Ich glaube nicht, dass die Mieteinnahmen aus Vaters Häusern im Dorf tatsächlich dafür ausreichen."
    Ich ahnte, dass er recht hatte. Ich verstand von diesen Dingen nichts, darum hatte sich immer Gordon gekümmert.
    Dexter musste die Bedenken in meinen Augen gesehen haben, denn er lehnte sich vor und flüsterte: "Aber sollten wir verkaufen müssen, dann investieren wir den Erlös in eine schöne Wohnung in Glasgow, und dort sorge dann ich für Sie, Mr. Leopold."
    Vor Rührung blieb mir fast das Ragout im Hals stecken. Er war und blieb ein guter Junge. Unser Dexter.

    Auch während der Trauerfeier war Dexter stets an meiner Seite. Ich weiß nicht, was schlimmer war. Die Tatsache, an Gordons Grab stehen zu müssen, während ich eigentlich gehofft hatte, eines nicht allzu fernen Tages in seinen Armen sterben zu dürfen, oder die teils mitleidigen, teils abschätzigen Blicke, die mir die anderen Trauergäste zuwarfen.
    "Er gehört zur Familie," hatte ich Dexter ein paar Spinatwachteln zuzischen hören, als ich noch im Auto saß. "Mehr als das. Er war sein bester Freund. Er hat mehr für Vater getan als ihr alle zusammen. Also spart euch euer selbstherrliches Gegeifer, wenn er jetzt mit in die Kapelle und auf den Friedhof geht, um sich zu verabschieden!"
    Ich versuchte, mich auf andere Dinge zu konzentrieren, als auf diese Blicke und die Worte des Geistlichen.
    Ich beobachtete die Vögel in den Bäumen, lauschte auf den Gesang der Blätter im Wind, bemerkte ganz in der Nähe …
    "Mr. Leopold?" Dexters leise Worte rissen mich aus meinen Gedanken.
    Wir traten an Gordons Grab. Ich könnte nur stumm zusehen, wie Dexter das Schäufelchen zur Hand nahm, um etwas Erde hinab zu werfen, denn ich musste mich sehr anstrengen, damit der Schmerz und die Trauer mir nicht wieder die Beine weich werden ließen.
    Wir blieben noch kurz schweigend nebeneinander dort stehen und blickten auf den Eichenholzsarg hinab, der das Liebste vor unseren Augen verbarg, was wir beide besessen hatten.
    Wie betäubt stellte ich mich mit Dexter neben dem Grab auf, und wir nahmen die Beileidsbekundungen der Trauergäste entgegen, eine falscher als die andere. Wie konnte es nur gekommen sein, dass solch ein wunderbarer Mann nur so wenige echte Freunde hatte?
    Besonders schlimm war dieser eine Mensch gewesen, Mr. Campbell, der regelmäßig gekommen war, um bei Gordon Mietaufschub zu erbitten. Manchmal hatte er ihn bekommen, meistens aber eben nicht. In diesen Fällen war er immer äußerst zornig davon gezogen. Aber wie Dexter sagte, die Mieteinnahmen finanzierten das Haus und unser Leben. Das war halt so.
    Nun stand Mr. Campbell hier vor uns, neben Gordons offenem Grab und funkelte Dexter und mich an, was gar nicht zu seiner Freundlichtuerei passte. Irgendetwas stimmte nicht mit ihm. Da war ich mir sicher. Und zwar mehr als nur die Tatsache, dass er Gordon immer erst angeschleimt hatte, wenn er etwas von ihm wollte, um ihn anschließend zu beleidigen, wenn er es nicht bekam.
    Gordon hatte das meinen "sechsten Sinn" genannt. Oder auch mein "zweites Gesicht". Er hatte solche Metaphern geliebt. 'Wir echten Schotten besitzen das manchmal,' hatte er dann gesagt. Dabei war ich eigentlich gar kein "echter" Schotte.
    Aber jetzt lag er dort unten in einer Kiste in der Erde, und ich konnte mir gerade nicht erklären, warum ich den Wunsch verspürte, ausgerechnet diesem Menschen vor mir auf die Schuhe zu kotzen, wie er da stand und Dexter seine Hand mit dieser schmutzigen Bandage entgegenstreckte.
    Also drehte ich mich lieber um und ging zu Dexters Auto zurück. Er würde es verstehen, und ob die anderen Dorfbewohner, die noch in der Schlange standen, um uns ihr Beileid zu heucheln, sich jetzt vor den Kopf gestoßen fühlten, war mir egal.

    Am Abend saßen Dexter und ich wieder zusammen in der Küche. Er trug immer noch seinen schwarzen Anzug und das weiße Hemd. Nur den Schlips  hatte er noch im Wagen ausgezogen und beim Betreten des Hauses einfach über die Garderobe geworfen.
    "Wissen Sie, Mr. Leopold,"begann er nach einer Weile, "Mr. Campbell ist gar kein schlechter Mensch. Er hat nur sehr viel Pech gehabt in seinem Leben. Seine Arbeit bringt nicht viel ein, und es gibt Zeiten, da muss er sogar befürchten, sie ganz zu verlieren. Zudem ist er nicht ganz gesund. Seine Frau ist tot und seine Tochter noch so jung. Ich fürchte, Vater war manchmal ein wenig zu hartherzig zu den Menschen."
    Ich konnte kaum glauben, was ich da hörte! Mr. Campbell kein schlechter Mensch, aber Gordon hartherzig?
    "Jetzt hör mir mal gut zu, Junge," knurrte ich.
    "Es ist doch wahr, Mr. Leopold," unterbrach er mich. "Ich habe noch kein komplettes Bild von Vaters finanzieller Situation. Aber ich kann mir nicht denken, dass es für ihn ein dermaßen großer Verlust gewesen wäre, wenn er Mr. Campbell und dem einen oder anderen seiner Mieter ein wenig mehr entgegengekommen wäre. Ich meine, was hat er jetzt davon? Mitnehmen kann man sein Geld und Gut ja doch nicht. Was bleibt, ist das, was die, die man zurücklässt, von einem denken. Nicht wahr, Mr. Leopold? Sie und ich, wir liebten ihn. Sie noch dazu auf Ihre eigene Weise. Und jetzt tut es uns weh, wie die Menschen am Grab getuschelt haben. Wenigstens sind sie überhaupt gekommen."
    Er stand auf und schenkte uns beiden frisches Quellwasser ein, das einzige, was wir heute Abend wohl herunterbekommen würden.
    "Und haben Sie gesehen," fuhr er fort, "dass Mr. Campbell eine Verletzung an der Hand hatte? Und trotzdem muss er weiter arbeiten. Kann sich nicht mal ein paar Handschuhe leisten, der arme … Mr. Leopold? Was haben Sie?"
    Ich war plötzlich starr vor Schreck geworden. Mir war klar geworden, was mich an diesem Menschen gestört hatte. Ich stand auf und ging langsam zur Tür des Kaminzimmers.
    "Mr. Leopold," Dexter war mir gefolgt. "Was wollen Sie denn schon wieder da drin?"
    "Bitte, öffne die Tür für mich."
    Er drehte den Knauf und schob die Tür ein Stück auf. "Sind Sie wirklich sicher, dass Sie da hinein wollen?"
    Aber ich hatte mich schon an ihm vorbei in den Raum gedrückt, ging vorsichtig zu den kleinen Flecken vor der Terrassentür und beugte mich zu ihnen hinab.
    "Was ist denn da, Mr. Leopold?" fragte Dexter und ging neben mir in die Hocke.
    "Siehst Du das nicht? Da sind noch mehr Flecken. Die waren vorher auch nicht da. Aber hier haben keine Schildchen gestanden."
    Dexter stand auf und knipste eine Stehlampe an, deren Licht genau dort auf den Teppich fiel. Dann ließ er sich vorsichtig auf Knie und Hände nieder und betrachtete mit großen Augen beide Muster im Teppich, das gewebte und das andere.
    "Flecken! Noch mehr Blut?" Er richtete sich auf und sah sich im Zimmer um. "Die Spurensicherung hat mittlerweile die Schildchen alle weggeräumt. Aber ich könnte schwören, dass hier hinten gar keine gestanden haben! Die Polizei wird doch wohl diese Flecken nicht übersehen haben?"
    Er seufzte und stand auf. "Es wird wohl auch Vaters Blut sein. Aber ich werde sicherheitshalber mal auf dem Revier Bescheid sagen. Danke, Mr. Leopold. Kommen Sie. Vorsichtig. Treten Sie nicht darauf."

    Am nächsten Tag erschienen erneut zwei Mitarbeiter der Spurensicherung. Es stellte sich heraus, dass es sich nicht um Gordons Blut handelte, denn der Besitzer hatte die seltene Blutgruppe AB, was bei Gordon nicht der Fall gewesen war.
    Es ließ sich schnell feststellen, dass lediglich zwei Menschen in unserem Dorf diese Blutgruppe besaßen. Mr. Campbell und seine Tochter.
    Auch das Geständnis hatte die Polizei schnell. Es war kein anonymer Einbrecher gewesen, der Gordon erschlagen hatte.
    Mr. Campbell wollte an jenem Abend ein weiteres Mal um Geld oder wenigstens eine Stundung oder einen Aufschub bitten. Aber Gordon hatte abgelehnt. Darauf hatte Mr. Campbell, wohl in seiner Verzweiflung, Gordon bedroht. Aber der hatte ihn nur verspottet.
    Behauptete zumindest Campbell.
    Dann war es zum Kampf gekommen, und Campbell hatte sich an der Hand verletzt, als Gordons Glas zu Bruch gegangen war. Nach dem Schlag mit dem Schürhaken hatte er das Zimmer über die Terrasse verlassen, aber noch die Tür von außen hinter sich zugezogen. Da wir sie nie verschlossen hielten, war das wohl nicht aufgefallen.

    "Eigentlich eine unglaubliche Schlamperei," sagte Dexter nach der Gerichtsverhandlung. "Ohne Sie hätten wir niemals herausbekommen, wer Vater getötet hat, Mr. Leopold."
    Ich war zu erschöpft, um Stolz zu empfinden. Es war ein langer Tag gewesen. Und was konnte ich schon für meinen guten Geruchssinn, der Angstschweiß und Blut erkennen kann? Ich setzte mich neben Dexter und ließ mich hinter den Ohren kraulen.
    "Übrigens, ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, dass ich beantragt habe, Mr. Campbells Tochter bei uns aufnehmen zu dürfen, wenn wir nächsten Monat nach Glasgow ziehen. Die Kleine hat doch hier niemanden mehr. Und so können wir wenigstens ein bisschen was wiedergutmachen."
    Ich legte meinen Kopf auf Dexters Schoß.
    "Ich bin sicher, Mr. Leopold, dass Sie und die kleine Merida sich gut verstehen werden. So ein herzensguter Golden Retriever wie Sie ist genau das, was eine verletzte, junge Seele braucht."
    Ich schloss die Augen und träumte. Montgomery Leopold – Verbrechensbekämpfer und Beschützer der Waisen. Ich kann nicht glauben, dass das Gordon nicht gefallen hätte.




Copyright Esther Koch 31. August 2013