Per Anhalter durch meine Galaxis - Gedanken und Geschichten nicht nur von dieser Welt

"The following statement is false:
The previous statement is true.
Welcome to our corner of the universe

Anonymous
Seefra Denizen
CY 10210"
(Andromeda: The Past is Prolix)

Sonntag, 27. Mai 2012

Sonntags-Pausen-Krimi 14: Mittagsbekanntschaft

Mittagsbekanntschaft

"'Tschuldigung. Hätten Sie 'n Euro übrig?"
    Anke blieb stehen und musterte den jungen Mann, der sie gerade angesprochen hatte. So abgerissen sah er gar nicht aus. Gewaschene Haare, keine Löcher in der Kleidung, und Dreitagebärte waren ja ohnehin modern.  Ach, Klischees. Man musste nicht automatisch wie ein Clochard aussehen, sobald man durch das soziale Netz gepurzelt war.
    "Einen Euro, ja?" Sie lächelte den jungen Mann an.
    Er lächelte schüchtern zurück. "Wenn's Ihnen nichts ausmacht?"
    Anke stellte sich mit verschränkten Armen vor ihm auf. "Und was machen Sie dann mit dem Euro?"
    Er zuckte mit den Schultern. "Wenn's dann langt, besorg' ich mir was zu Essen."
    "Zu Essen?" fragte sie provokant. "Keinen Alkohol?"
    Ein enttäuschter Blick erschien auf des jungen Mannes Gesicht. "Ich hab keine Ansprüche zu stellen. Erst recht nicht daran, was für 'ne Meinung Sie von Leuten wie mir haben sollen. Aber wenn ich satt bin, kann ich mich eher darum kümmern, einen Job zu finden, als jetzt. Wenn ich besoffen bin, nicht. Entschuldigen Sie, dass ich Sie belästigt hab'. Schönen Tag noch." Er drehte sich um und ging langsam davon.
    Anke runzelte die Stirn und sah ihm nach. "Warten Sie!" rief sie und begann, ihm zu folgen. "So habe ich das nicht gemeint. Auch wenn es so klang. Ich ... wollte ..."
    Er ging gemächlich weiter, ohne sie anzusehen, die Hände in den Jackentaschen. "Ich weiß schon, was Sie wollten. Ist schon gut. Vergessen Sie's einfach."
    "Nein, hören Sie." Sie hielt ihn am Ärmel seiner Jacke fest und zwang ihn, mit ihr stehen zu bleiben.
    Überrascht von der unerwarteten Berührung hielt er an und betrachtete ihre Hand auf seinem Arm. Dann blickte er ihr ins Gesicht, wartend, neugierig.
    Sie ließ ihn los und holte tief Luft. "Ich entschuldige mich. Ich kenne Sie gar nicht und ... beleidige Sie dann mit einem solchen Vorurteil. Dazu hatte ich kein Recht. Darf ich es wieder gut machen?"
    "Und wie?"
    "Sie sagten, Sie würden gerne etwas essen. Das hatte ich auch gerade vor. Darf ich Sie einladen?"
    Er trat von einem Fuß auf den anderen. "Also, einladen? Das heißt, Sie und ich ... Sie wollen ... mit mir zusammen essen?"
    "Ja, warum denn eigentlich nicht? Ich kenne da ein kleines Lokal hier ganz in der Nähe. Da gibt es Sandwiches oder auch etwas Größeres, wenn Sie mögen."
    Er zögerte.
    "Na kommen Sie schon," ermutigte sie ihn. "Ich war unverschämt zu Ihnen. Geben Sie sich einen Ruck und mir eine Chance, mich zu entschuldigen."
    Er nickte. "In Ordnung."
    "Sehr schön."

    Gemeinsam betraten sie das kleine, gepflegte Restaurant und setzten sich unter den kritischen Blicken des Kellners und einiger anderer Gäste einander gegenüber an einen Zweiertisch im hinteren Teil des Raumes.
Anke hängte ihre Handtasche über den Stuhl und winkte den Kellner herbei.     "Eine große Flasche Mineralwasser, zwei Gläser und die Karte, bitte."
    "Gerne." Der Kellner bedachte den jungen Mann mit einem Stirnrunzeln und verschwand hinter der Theke.
    Anke verschränkte die Finger, stützte die Ellbogen auf den Tisch und legte ihr Kinn auf die Hände. Sie musterte ihr Gegenüber lächelnd. Der junge Mann spähte aus dem Fenster, als wolle er vermeiden, die Frau anzusehen.
    Anke löste die Finger und streckte dem Mann die rechte Hand entgegen. "Nett, Sie kennenzulernen. Ich bin Anke."
    Der Mann wandte ihr den Kopf zu und starrte ihr überrascht ins Gesicht, dann betrachtete er ihre Hand. Schließlich ergriff er sie und sagte. "Danke. Ebenfalls. Ich bin Mario."
    "Mario. Sehr angenehm." Anke lehnte sich zurück und lächelte den Kellner an, als dieser mit zwei Speisekarten und dem bestellten Getränk an den Tisch trat. Sie nahm eine der Karten entgegen und begann zu blättern. Mario tat es ihr gleich. Der Kellner füllte die Gläser halb mit leise sprudelndem Wasser, stellte die Flasche ab und entfernte sich wieder.
    "Ich nehme das Hühnchensandwich," verkündete Anke schließlich. "Das Rumpsteak mit Kroketten ist sehr zu empfehlen. Oder sind Sie Vegetarier, Mario?"
    "Nein," antwortete er. "Gut. Dann nehme ich das. Danke."
    "Oh, nichts zu danken. Ich danke Ihnen, dass Sie meine Entschuldigung annehmen. Immerhin war ich diejenige, die für einen Moment vergessen hat, dass alle Menschen Respekt verdienen."
    Sie nippte an ihrem Wasser. "Sie suchen also einen Job, ja?"
    Mario nickte und griff ebenfalls nach seinem Glas.
    Der Kellner tauchte neben dem Tisch auf. "Haben Sie gewählt?"
    Anke reichte ihm ihre Karte. "Bitte einmal das Hühnersandwich ohne Tomaten aber dafür mit extra Käse. Und einmal das Rumpsteak. Einen Salat dazu, Mario? Ja, bringen Sie noch einen großen gemischten Salat. Danke."
Der Kellner lächelte, nahm Marios Karte entgegen und entschwebte.
    "Was ... haben Sie denn beruflich gemacht bisher?" nahm Anke die Unterhaltung wieder auf.
    "Ich war … in der Werbung. Ein kleines Unternehmen in einer großen Stadt. Das kann gut gehen. Muss es aber nicht. In unserem Fall ging es eben nicht gut."
    Anke seufzte. "Ihr musstet zumachen?"
    "Jep." Mario nickte langsam. "Außer mir laufen da draußen noch vier Kollegen herum. Plus unsere Chefin. Sie tut mir eigentlich am meisten Leid. Ist immer scheiße, wenn man erkennen muss, dass sein Traum den Bach runter ... geht." Er stutzte, schien überrascht von seiner eigenen plötzlichen Redseligkeit und nahm einen großen Schluck Wasser.
    Als der Kellner das Essen brachte, nahmen sie es schweigend zu sich, jeder scheinbar konzentriert mit seinem eigenen Teller beschäftigt, bis auf den einen oder anderen verstohlenen Blick, dem Gegenüber heimlich zugeworfen.
    "Möchten Sie noch ein Dessert?" fragte Anke schließlich.
    Mario verschluckte sich an seinem letzten Stück Fleisch und bekam einen Hustenanfall. Irgendwann gelang es ihm, zu röcheln, "Nein ... danke."
    Der Kellner rauschte auf Ankes Wink mit dem Portemonnaie hin an den Tisch und legte die Rechnung vor ihr ab. Sie legte einen Geldschein darauf und sagte, "Danke. Stimmt so."
    Ein breites Grinsen erschien auf des Kellners Gesicht. "Oh, ich danke Ihnen. Einen schönen Tag noch."
    Beim Davontänzeln begrüßte er eine gerade angekommene Gästegruppe mit einem fröhlichen "Komme gleich zu Ihnen" und verschwand in der Küche.

    Draußen vor dem Lokal wandte Mario sich mit in die Hosentaschen gestopften Händen zu Anke. "Tja, also ... danke. Danke vielmals. Das war sehr nett von Ihnen."
    Anke lächelte ihn an. "Wollen wir das morgen wiederholen?"
    "Wie, wiederholen?"
    Sie lachte. "Naja, wir überspringen das "haste mal 'ne Mark", ich spare mir die Beleidigung und wir verabreden uns gleich jetzt zum Essen. Und dann erzähle ich Ihnen ein bisschen was von mir."
    Mario betrachtete sie ungläubig. "Und wo soll das hinführen?"
    Sie wühlte in ihrer Handtasche, zog einen Notizblock mit kleinem Kugelschreiber hervor und begann etwas zu kritzeln. "Das werden Sie schon noch sehen." Sie riss das Blatt heraus und reichte es Mario.
    "Ich schlage vor, dass wir morgen dort essen. Brauchen Sie Geld für die S-Bahn-Karte?"
    Ein gekränkter Ausdruck erschien auf seinem Gesicht. Aber dann lächelte er. "Sie meinen's nur gut, richtig?
    Anke wurde klar, dass sie wieder dem alten Klischee folgte. "Entschuldigen Sie, jetzt hab ich's schon wieder getan."
    "Ja, ja," lachte Mario. "Womit wir doch wieder beim Anfang wären. Ich bin dann morgen dort. Um die gleichen Zeit?" Er wedelte mit dem Notizzettel.
    "Gerne." Anke nickte ihm zu, drehte sich um und tauchte in der Menschenmenge unter.

    An den folgenden Tagen trafen Anke und Mario sich immer zur gleichen Zeit in immer anderen Lokalen, die Anke vorschlug und Mario widerspruchslos akzeptierte. Immerhin wurde er ja eingeladen.
    Bei ihrem fünften Treffen wusste sie alles über seine verkorkste Kindheit und Jugend, die Alkoholprobleme seiner Eltern, von seinem Studium, das er sich selbst mit kleinen Jobs finanziert hatte und dem Pech, das er direkt mit seiner ersten festen Arbeitsstelle gehabt hatte.
    Er wusste von ihrer aus Trotz gegenüber ihren Eltern geschlossenen Ehe mit dem reichen, aber viel älteren Geschäftsmann, der sie oft wegen irgendwelcher Auslandsreisen alleine ließ. Und von dem Ehevertrag, der dafür sorgte, dass sie mit leeren Händen da stand, falls es jemals zu einer Scheidung mit ihr als schuldiger Partei käme.
    Mario nippte an seinem Cappuccino. "Das war aber nicht sehr klug von dir, oder?"
    Bei ihrem letzten Treffen hatte Anke ihm das Du angeboten, worauf er zögernd eingewilligt hatte.
    Anke schüttelte ihr blondes Haar. "Sicher nicht, aber ich hätte damals alles getan, um von meinen Eltern wegzukommen. Thilo fand mich süß, vorzeigbar. Also haben wir geheiratet. Aber wirklich lieb hat er nur sein Geld. Deshalb der Vertrag."
    "Nun ja," Mario lehnte sich in seinem Stuhl zurück und spielte mit dem ungeöffneten Zuckertütchen auf seiner Untertasse, "dann lass dir doch einfach nichts zu schulden kommen. Oder hast du ...?"
    "Nein," seufzte sie, "nicht im mindesten."
    Mario setzte sich kerzengerade hin und sah sich im Lokal um. "Sag mal, hast du keine Angst, dass dich dein Mann beobachten lassen könnte? Und wenn wir beide uns so oft treffen, dass er dann denken könnte ..."
    "Wir werden bereits beobachtet, Mario."
    "Was?" zischte er. "Von wem?"
    "Vielleicht täusche ich mich. Aber der Typ dort am Fenster mit dem dunkelblauen Hemd und dem grauen Sakko, der war gestern auch im gleichen Restaurant wie wir. Und vorgestern auch. Er trug natürlich beide Male andere Klamotten, aber ich denke schon, dass es der gleiche Mann ist."
    Mario atmete tief durch und reckte die Arme in die Luft. Genüsslich begann er sich zu strecken, gähnte und drehte dabei vorsichtig den Kopf in Richtung Fenster.
    Dort saß ein dunkelhaariger Mann mit einer Tasse vor sich auf dem Tisch und beschäftigte sich hochkonzentriert mit seinem Mobiltelefon.
    Mario nahm die Arme herunter und lehnte sich lässig mit den Ellbogen auf den Tisch. "Und wann hast du ihn zum ersten Mal bemerkt?"
    "Bemerkt? Wie gesagt, vorgestern. Aber wer weiß, wie lange er schon hinter mir her läuft."
    "Wieso?"
    "Ein paar Tage, bevor wir uns überhaupt zum ersten Mal getroffen haben, hatten Thilo und ich diesen Streit. Es ging natürlich um Geld. Angeblich gebe ich zu viel aus."
    "Naja, wieviele andere Arbeitslose außer mir fütterst du denn durch?" flachste Mario.
    Sie schüttelte den Kopf. "Meine erste Einladung sollte wirklich eine Entschuldigung an dich sein. Die zweite und dritte habe ich zum Trotz ausgesprochen. Denn wenn Thilo wüsste, dass ich mit seinem schmutzigen Geld etwas Gutes tue, würde er platzen. Und alle anderen ... weil ich dich nett finde."
    Mario lächelte. "Danke ... gleichfalls."
    Tränen traten in Ankes Augen. "Und dann, bei dem Streit, hat er gesagt ... er wäre mich ja sowieso bald los." Sie leerte ihre Teetasse und winkte dem Kellner, um eine weitere zu bestellen.
    Mario betrachtete sie. "Wie hat er DAS denn gemeint?"
    Anke schnaubte. "Vielleicht will er mich umbringen lassen. Denn selber macht er sich die Hände ja nicht dreckig. Oder vielleicht ..."
    "Vielleicht?" Mario streckte die Hand aus und wischte mit dem Daumen eine Träne von Ankes Wange.
    Sie lächelte dankbar. "Vielleicht will er irgendwelche falschen Beweise für meine angebliche Untreue auf den Tisch legen und sich kostengünstig scheiden lassen. Glaub mir. Thilo kennt für so was genau die richtigen Leute. Und das da hinten könnte einer davon sein."
    Mario stieß einen leisen Pfiff aus. "Sollten wir uns dann nicht etwas diskreter treffen?"
    "Und erst recht verdächtig wirken? Oh nein! Öffentlichkeit ist der beste Schutz. Außerdem," sie langte über den Tisch und ergriff Marios Hände, während sie provokant zu dem Mann im grauen Sakko hinüberblickte, der sich aber weiterhin nur für sein Telefon interessierte.
    "Ich habe die Nase voll davon, immer nur auf Zehenspitzen durch's Leben zu gehen. Immer achtgeben zu müssen, dass ich nichts falsch mache. Soll uns doch einer fotografieren. Ein Beweis für Untreue ist das noch lange nicht."
    Sanft zog Mario seine Hände zurück. "Ich finde aber doch, dass du vorsichtig sein solltest." Er leerte seinen Cappuccino und betrachtete das Innere der Tasse.
    "Wie meinst du das?" Anke lehnte sich zurück und starrte Mario an.
    Er erwiderte ihren Blick und antwortete. "Ich ... mache mir nur ein bisschen Sorgen. Weiter nichts. Du warst so nett zu mir. Ich will nicht ..."
    Er konzentrierte seinen Blick wieder auf die leere Tasse in seiner Hand. "Sagtest du vorhin 'schmutziges Geld'?"
    Anke nickte stumm.
    "Wieso nennst du es so?"
    Sie holte tief Luft. "Ich weiß nicht genau, was er macht. Du kennst ja diese Sprüche von wegen 'nicht das hübsche Köpfchen zerbrechen' und solchen Quatsch. Aber seine … Geschäftspartner gefallen mir manchmal überhaupt nicht. Und gestern hat er mich in seinem Büro erwischt. Ich wollte ihn nur etwas fragen, aber er war nicht drin. Also habe ich auf ihn gewartet. Als er kam und mich dort sah, ist er völlig ausgerastet. Hat irgendwelche Papiere, die ich vorher überhaupt nicht bemerkt hatte, vom Schreibtisch in die oberste Schublade gewischt. Die hat er dann abgeschlossen und den Schlüssel abgezogen. Und dann hat er gebrüllt, wenn ich meine Nase behalten will, dann soll ich sie nicht in seine Angelegenheiten stecken."
    Sie hob mit zitternder Hand den Teebeutel aus der Tasse und legte ihn in ein Glasschälchen.
    Mario sah sie scharf an. "Sag mal, kann es sein, dass du es jetzt gerade darauf anlegst, geschieden zu werden, egal wie? Genau wie damals, als du 'alles getan' hättest, um von deinen Eltern wegzukommen?"
    Bestürzt erwiderte Anke Marios Blick. "Das war sicher ein Fehler damals. Und ich will sein Geld nicht. Du hast recht. Ich will mittlerweile nur noch von ihm weg."
    Mario beugte sich noch weiter über den Tisch und flüsterte, "Glaubst du, das funktioniert jetzt noch so einfach?"
    "Wie meinst du das?" flüsterte sie zurück.
    "Wenn er denkt, dass du etwas über seine … schmutzigen Geschäfte weißt, lässt er dich vielleicht nicht mehr einfach so aus seinem Leben spazieren."
    Anke erbleichte und lehnte sich schwer atmend zurück. "Was soll ich nur machen?"
    "Kannst Du vielleicht bei einer Freundin unterkommen?"
    Sie nickte. "Ursula. Heute Abend gehe ich sowieso mir ihr ins Kino."
    "Gut," sagte Mario. "Hör zu. Geh zu Ursula und bleib über Nacht bei ihr. Und könnte ich für morgen bitte das Restaurant vorschlagen?"
    Anke sah ihn misstrauisch an, sagte dann aber, "Na gut, wo?"
    Er nannte ihr den Namen eines Lokals und einer Straße. Sie nickte, er verabschiedete sich hastig und ließ sie alleine am Tisch sitzen.

    Am nächsten Mittag betrat Anke das Lokal, das Mario ihr genannt hatte. Sie war überrascht vom luxuriösen Ambiente. Sofort tauchte ein Kellner neben ihr auf.
    "Guten Tag, gnädige Frau. Haben Sie reserviert?"
    "Nun ja," Anke wurde klar, dass sie Marios Nachnamen gar nicht kannte. "Ich bin hier verabredet."
    "Wie ist denn Ihr Name? Ich habe dann sicher eine Notiz vorliegen."
    "Mein Name? Ja, Giesenkaiser."
    Der Kellner trat zu einem Pult und blätterte in einem Buch. "Frau Giesenkaiser. Selbstverständlich. Wenn Sie mir bitte folgen wollen."
    "Selbstverständlich?"
    "Ja, der Tisch ist auf den Namen Giesenkaiser reserviert."
    Verwirrt sah Anke den Kellner an. Mario kannte ihren Namen doch auch nicht? Oder hatte er ihn auf einer ihrer Kreditkarten gesehen? Nein, sie hatte immer bar bezahlt, weil sie der Ansicht war, dass es Thilo, der ihre Kontoauszüge kontrollierte, nichts anging, was genau sie tagsüber trieb.
    "Frau Giesenkaiser?"
    "Ja, natürlich." Langsam ging Anke hinter dem Kellner her über einen burgunderfarbenen Teppichboden, zwischen einigen edel gedeckten Tischen hindurch. Zwei davon waren besetzt. Anke blieb erschrocken stehen.
    An einem der Tische erkannte sie den gleichen Mann, den sie an den drei Tagen zuvor ebenfalls in jedem Lokal gesehen hatte, in dem sie und Mario gewesen waren. Er saß einem anderen, etwas älteren Mann gegenüber, beide in dunklen Anzügen, beide scheinbar in ihre großformatigen Speisekarten vertieft.
    Der Kellner bemerkte, dass Anke nicht mehr hinter ihm war und kam zurück.
    "Frau Giesenkaiser? Ist Ihnen nicht wohl?"
    Anke starrte ihn an, als hätte sie kein Wort verstanden. Dann wurde ihr klar, dass sie ihre Entdeckung unbedingt Mario mitteilen musste.
    "Nein, alles in Ordnung."
    Der Kellner hob die Augenbrauen und ging wieder voraus. Vor einem separaten Raum mit verzierter Glastür blieb er stehen. Mit beiden Händen ergriff er die Messingklinken der Türflügel, drückte sie herab und ließ die Türen aufschwingen.
    An einem Tisch saßen, in leise Unterhaltung vertieft, zwei Männer.
    Anke spürte, wie ihr die Knie weich wurden. Übelkeit stieg in ihr hoch, und sie sah kleine orangefarbene Kreise tanzen.
    "Anke!" Der jüngere der Männer sprang auf und griff nach ihr, um sie vor dem Umstürzen zu bewahren. Aber sie hatte nur Augen für das hasserfüllte Gesicht des anderen, der ebenfalls aufgestanden war.
    "Du!" Der große, kräftig gebaute Mann kam auf sie zu. Mario hielt sie immer noch fest, aber sie wollte von beiden weg, weg von hier!
    "Thilo," flüsterte Anke. "Mario, was …?"
    "Tjaaa," ertönte Thilos triumphale Stimme. "Das hättest du nicht gedacht, was? Dein kleines Techtelmechtel wird mich von dir kleinen, geldverprassenden Schnüfflerin befreien. Mein junger Freund hier wird vor Gericht aussagen, dass Ihr eine Affäre hattet."
    Anke wusste nicht, was sie am wütendsten machte. Der Betrug durch Mario, der sie offensichtlich gezielt auf der Straße angesprochen hatte, Thilos eiskalte Hinterhältigkeit oder die Tatsache, dass sie es nicht verhindern konnte, dass ihr in diesem Augenblick heiße Tränen in die Augen schossen.
    "Ihr miesen Schweine," zischte sie. "Mario, wie konntest Du das tun?"
    Sie sah Schuld und Bedauern in seinen Augen.
    Thilo begann zu lachen. "Ach Mäuschen, deine Unschuld amüsiert mich immer noch. Du kannst gerne noch bis zur Verhandlung bei mir wohnen, oder gleich zu deiner Ursula ziehen. Wenn Ihr mich jetzt entschuldigen würdet. Junger Freund, wir sehen uns dann bei der Verhandlung."
    Er streckte Mario die Hand entgegen, aber Mario betrachtete sie nur kalt und sagte, "Ja, Herr Giesenkaiser. Wir sehen uns bei der Verhandlung, aber nicht bei der, an die Sie jetzt denken."
    Thilo ließ die Hand sinken. "Was soll das heißen?"
    "Ich werde nicht in einem Scheidungsprozess FÜR Sie aussagen, Herr Giesenkaiser, sondern in einem Strafprozess GEGEN Sie."
    Thilo lachte lauthals. "Was … soll denn DER Quatsch?"
    Dann wurde er still, trat einen Schritt auf Mario zu und presste seinen dicken Zeigefinger gegen dessen Brust.
    "Hör zu, Freundchen," raunte er, "du hast bis eben noch auf der richtigen Seite gestanden. Versau das nicht, sonst bereust du es!"
    Mario lächelte, bückte sich und zog eine dünne Aktentasche unter seinem Stuhl hervor. Dann ging er um Anke herum zur Tür und rief, "Kommissar Reinhold?"
    Anke sah, dass sich im Hintergrund die beiden Männer, die ihr zuvor aufgefallen waren, von ihren Plätzen erhoben und auf sie zukamen.
    "Herr und Frau Giesenkaiser," fuhr Mario fort, "darf ich vorstellen: Kommissar Reinhold, Inspektor Sawatzki, Kriminalpolizei."
    "Kriminalpolizei?" fragte Thilo ungläubig.
    "Genauer gesagt, Mordkommission," ergänzte Mario. Er reichte dem Mann, den Anke in den vergangenen Tagen wiederholt gesehen hatte, die Aktentasche.
    "Ich habe hier Beweise, dass Herr Thilo Giesenkaiser in mindestens einen Mordfall verwickelt ist. Darüber hinaus liegen Hinweise vor, dass Herr Giesenkaiser schweren Betrug in wenigstens vierunddreißig Fällen begangen hat."
    Thilo kicherte hämisch. "So ein Blödsinn … das … ich will meinen Anwalt sprechen."
    "Aber gerne," sagte Kommissar Reinhold und streckte den Arm aus. "Folgen Sie mir doch zu einem Telefon. Wir haben da ein hochmodernes auf dem Revier. Da wartet auch bereits ein Haftbefehl auf Sie. Und einen Durchsuchungsbefehl für Ihr Haus haben wir auch schon."
    Thilo ließ sich von den beiden Beamten abführen und warf im Vorbeigehen Mario und Anke noch einen giftigen Blick zu. Er öffnete seinen Mund, um ihnen etwas zuzuflüstern, aber Inspektor Sawatzki unterbrach ihn.
    "Denken Sie daran, alles was Sie sagen, kann gegen Sie verwendet werden. Und jetzt noch Drohungen auszusprechen, wäre äußerst ungeschickt."
    Anke sah den drei Männern nach und beobachtete, wie zwei uniformierte Beamte ihnen im Eingangsbereich des Lokals entgegen kamen.
    Sie drehte sich langsam herum, verlor den Halt und kippte in Marios Arme. Dieser setzte sie vorsichtig auf dem nächsten Stuhl ab und hockte sich vor ihr nieder.
    "Du hast jetzt sicher keine Lust, mit mir zu reden," begann er. "Aber hör mir wenigstens zu. Jetzt ist es an mir, mich bei dir zu entschuldigen. Und zwar gewaltig. Ich habe dich wirklich belogen und … benutzt, aber wenn du dann nicht mehr zu sauer auf mich und schockiert über das alles bist, dann wird dir auch bewusst, dass … der Zweck ein guter war."
    Anke sah ihn böse an. "Sauer ist gar kein Ausdruck. Sagst du mir jetzt die Wahrheit?"
    Mario stand auf und zog sich einen Stuhl heran. Er setzte sich, mit der Lehne nach vorne, vor Anke hin.
    "Ich bin Privatdetektiv. Und dein Mann hat mich tatsächlich angeheuert … dich zu beschatten. Sollte ich nichts herausfinden, sollte ich versuchen, dich zu verführen, damit er seinen Untreuebeweis bekommt. Sollte das auch nicht funktionieren, dann sollte ich einfach vor Gericht behaupten, dass … wir zwei …"
    "Jaa, jaa," unterbrach ihn Anke, "ich kann's mir vorstellen."
    Mario seufzte und fuhr fort. "Nun, Tom und ich sind schon lange befreundet, waren zusammen auf der Polizeischule …"
    "Wer ist Tom?" fragte Anke.
    "Tom Sawatzki. Inspektor Sawatzki. Das … ja, das ist der Typ, den du mir gestern im Restaurant gezeigt hast. Du hattest recht, der war uns … naja, nicht direkt gefolgt. Ich habe ihm immer gesagt, wo wir hingehen. Sicherheitshalber."
    Mario lachte und schüttelte den Kopf. "Aber die unauffällige Detektivarbeit sollte er wirklich den Profis überlassen. Okay. Ich hatte vor einer ganzen Weile schon eine Liste von Namen von ihm bekommen mit der Bitte, wenn einer von denen zufällig bei mir auftauchen sollte, dass ich ihm dann Bescheid gebe."
    "Und Thilos Name stand drauf?"
    Mario nickte. "Und die Anklageliste wird lang. Das Dumme war bisher nur, dass es keine Beweise gab. Dass er mich angeheuert hat, gab mir die Chance, welche zu sammeln. Ich war schon einmal in seinem Büro, hatte aber natürlich keine Gelegenheit, mich näher umzusehen. Aber gestern hast du mir von diesen Papieren erzählt, die er in die oberste Schreibtischschublade gesteckt hat. Also habe ich mich letzte Nacht hinein geschlichen und mir diese Papiere besorgt. Hochbrisantes Material, sage ich dir!"
    Anke runzelte die Stirn, "Aber wenn du eingebrochen bist und die Papiere gestohlen hast, wird das Gericht das überhaupt als Beweise anerkennen? Das war doch illegal!"
    "Was genau ich gestern Nacht gefunden habe, weiß das Gericht ja nicht. Er wollte, dass ich vor Gericht für ihn lüge. Da kann ich mich auch ja mal ein wenig irren, was die Reihenfolge der Beweismittelfunde angeht."
    "Du wolltest, dass ich nicht zu Hause bin, wenn du …"
    "Ich wollte nicht, dass du mich aus Versehen in eurem Haus erwischst. In der Situation wäre keine Zeit für lange Erklärungen gewesen. Und ich wollte, dass du in Sicherheit bist, falls dein Mann mich erwischen sollte. Das wäre … unschön geworden."
    Anke saß immer noch halb im Kutschersitz auf ihrem Stuhl. "Eines würde ich gerne wissen. Wenn ich dir am ersten Tag nicht hinterhergelaufen wäre, um mich zu entschuldigen, was hättest du getan? Das war doch ziemlich hoch gepokert, einfach … pseudo-beleidigt davonzuziehen."
    Mario überlegte. "Ja, das war es wohl. Aber ich wusste, dass du mich nicht einfach gehen lassen würdest. Ich hatte dich schon eine Weile beobachtet. So ein Mensch bist du nicht."
    "Und wenn ich dir einfach etwas Geld in die Hand gedrückt hätte und weitergegangen wäre?"
    Er grinste breit. "Mach dir da mal keine Sorgen. Ich bin ein Profi. Ich hatte durchaus mehrere Textversionen im Kopf."
    Anke lächelte müde, dann schlug sie die Hände vors Gesicht. "Ach Mario, ich bin so erledigt. Das war alles ziemlich viel jetzt."
    Mario stand auf und zog sie auf die Füße. "Aber ich hoffe, du bist nicht zu erledigt, um mit mir zu Mittag zu essen? Ich glaube, diesmal geht die Rechnung auf mich."




Copyright Esther Koch 26. Mai 2012


Samstag, 26. Mai 2012

Häuslebau 4: ... und weiter geht's!


Auch in dieser Woche war die Baufirma unseres Vertrauens fleißig.


 

 21. Mai: Die Erdgeschossmauern stehen jetzt rundherum.





 22. Mai: Keine Angst mehr vor Regen auf dem Esstisch! :-)


Am 23. Mai hatte sich von der Vorderaußenansicht her nicht viel getan, außer dass die Treppe, die vorher vorne gelegen hatte (siehe oben), gewandert war. Und das hat sie mindestens noch einmal vor sich.

 Nämlich von hier ...



 ... nach hier.

 

24. Mai: Ah, das Obergeschoss zeichnet sich ab. Und endlich schönes Wetter!





25. Mai: Noch weniger Wolken und die Ahnung eines Satteldaches. Es dauert nicht mehr arg lange bis zum Richtfest.



Das Laminat ist jetzt auch ausgesucht. Das ging zum Glück genauso unkompliziert wie bei den Fliesen. Wir sind eben entschlussfreudig und anspruchslos ... (Wie war das? Unsere einzige Schwäche ist unsere gewaltige Bescheidenheit? *stink*)
Nächstes Wochenende steht dann die Bemusterung der ... sanitären Einrichtungen an. Klospotting, hihi.


Dienstag, 22. Mai 2012

Learning English with Lyrics: Pretender


Pretender wurde von Madonna und Steve Bray geschrieben und erschien im Jahre 1984 auf Madonnas Album Like a Virgin.

Der Originaltext findet sich hier. Und hier kann man den Song hören.


Heuchler

Er ist ein Heuchler, er weiß genau, was er sagen muss.
Er ist ein Heuchler, man trifft (einen wie) ihn täglich.
Er ist ein Heuchler, der Fisch, der entkommen ist.
Er ist ein Heuchler, warum habe ich mich verliebt.

Es war so merkwürdig, die Art, wie er meine Hand gehalten hat..
Ich wollte mehr als nur eine einzige Nacht mit ihm.
Er hatte so eine Art, mich glauben zu lassen,
dass er mir gehörte und mich nie verlassen würde.

Refrain:

Ich weiß, ich hätte den Rat meines Freundes annehmen sollen.
Denn wenn es einmal passieren würde, weiß ich, dass es zweimal passiert.
Falls es eine Chance gibt, weiß ich, dass ich es versuchen muss.
Ich werde ihn dazu bringen, mit mir zu tanzen, ich werde ihn dazu bringen, mir zu sagen warum.

Er ist ein Heuchler
Er ist ein Heuchler

Zwischenspiel:

Ich habe keine Angst, hundertmal hereinzufallen
Und ich werde an alle deine albernen Lügen glauben
Ich würde gerne denken, dass ich deine Meinung ändern könnte
Sag nicht, dass ich blind bin, ich weiß alles über deinesgleichen

Er ist ein Heuchler, man trifft (einen wie) ihn täglich.
Er ist ein Heuchler, der Fisch, der entkommen ist.
Er ist ein Heuchler, warum habe ich mich verliebt.

Ich mochte die Art, wie er sich über die Tanzfläche bewegte
Und als er mit mir tanzte, wusste ich, dass er mehr wollte
Aber im Dunkeln passierten die Dinge viel zu schnell
Ich hätte ihn in dem Moment stoppen sollen. Ich wusste, es würde nicht von Dauer sein.

(Refrain)
(Zwischenspiel)

Er ist ein Heuchler, man trifft (einen wie) ihn täglich.
Er ist ein Heuchler, der Fisch, der entkommen ist.
Er ist ein Heuchler, warum habe ich mich verliebt.

Du hast gelogen, du hast gelogen ....
Du hast gelogen, ich weiß alles über deinesgleichen


Der Text ist nicht zu kompliziert und dazu grammatikalisch "sauber", sehr geeignet als Quelle für Eselsbrücken, vor allem, da viele verschiedene Zeiten vertreten sind. Wir haben Beispiele für Simple Present ("he knows just what to say"), Simple Past ("I liked the way he moved across the floor"), Conditional ("If there's a chance then I know I've got to try"), Simple Future ("And I'll believe in all your silly lies").



Vocabulary:

pretender - Heuchler
to pretend - etwas vortäuschen; so tun, als ob
why'd - Kurzform für (http://en.wiktionary.org/wiki/why%27d) "why did" oder "why had" oder "why would". In diesem Zusammenhang passt "why did" am besten.
to fall in love - sich verlieben
strange - merkwürdig, seltsam
to hold - halten (unregelmäßiges Verb: hold - held - held)
friend - es kann sich hier um einen "Freund" aber auch um eine "Freundin" handeln.
advice - Rat, Ratschlag, Empfehlung
once - einmal
twice - zweimal ("thrice" für "dreimal" hat auch einst existiert. Heute sagt man da eher "three times". Genau wie weiter unten im Text "a hundred times".)
to happen - geschehen, passieren
to make someone do something - jemanden dazu bringen, etwas zu tun
intermediate - ist eigentlich ein Adjektiv, das selten bis nie alleine steht und im Deutschen Hauptwörter mit "Zwischen- ..." bildet. "Zwischenspiel" wäre eher "interlude".
to be afraid - sich fürchten
to believe - glauben
to believe in - glauben an
silly - dumm, albern, töricht, absurd
lie - Lüge (Plural: lies)
to lie - lügen (regelmäßiges Verb, Simple Past = "lied")
floor - Boden, hier im Kontext Tanzfläche (dance floor ohne "dance")


Erklärung:
Die deutschen Übersetzungen der Songtexte in allen Kapiteln der Kategorie "Learning English with Lyrics" wurden nirgendwo kopiert, abgeschrieben oder sonstwie entlehnt, sondern von mir persönlich angefertigt.
Etwaige Ähnlichkeiten oder Übereinstimmungen mit bereits irgendwo in den Weiten des Internets vorhandenen Übersetzungen sind allerdings nicht rein zufällig, sondern rühren daher, dass es zwar rein theoretisch mehr oder weniger unendlich viele Möglichkeiten gibt, einen fremdsprachigen Text ins Deutsche zu übersetzen, aber nicht alle davon Sinn ergeben. Und im Falle einer Ähnlichkeit oder Übereinstimmung hat entweder der Inhaber der Seite mit der ähnlichen oder übereinstimmenden Übersetzung von mir abgeschrieben, oder wir waren uns einfach nur einig darüber, welches die beste Übersetzung ist.
Von den Inhalten der Seiten, auf die die Links dieser Seite verweisen, distanziere ich mich ausdrücklich.

Montag, 21. Mai 2012

Häuslebau 3: Fortschritte

So, nicht dass jemand denkt, den ganzen Mai wäre noch nichts geschehen bezüglich der Weiterentwicklung des Koch'schen Anwesens. Ist schon, aber zwischen Fotos sammeln und bloggen ist ja soooo ein weiter Weg ...
Deshalb gibt es jetzt hier eine Art Daumenkino. Naja, nicht immer aus der gleichen Perspektive.


Am 3. Mai befand sich etwas mehr schwere Gerätschaft an der Baustelle.



Am 4. Mai war zumindest das Metallhäuschen von links nach rechts gewandert.



7. Mai: Uih, Schotter! Oder auch: Drainage! Sehr wichtig, wenn man am Hang baut, damit man die Gülle vom höher liegenden Nachbargrundstück nicht irgendwann in der Waschküche hat. 



8. Mai: Verschalte und gegossene Kellerbodenplatte. Und die erste schicke Rechnung war auch schon da.



9. Mai: Und plötzlich stehen da drei Wände! Bisschen zugig ...


10. Mai: Immer noch nur drei Wände, was aber nicht heißt, dass man untätig war.



11. Mai: Die vierte Wand plus Ytong-Steine. Man kann jetzt erahnen, dass es mal ein Haus werden soll. Auch wenn von oben die Sonne noch herein scheint.



14. Mai: Eine andere Perspektive von halbhintenoben.



15. Mai: Keine Sonne mehr von oben.



17. Mai: Die Andeutung des Erdgeschosses. Erdgeschoss? Ja, das heißt halt so. Wenn das Untergeschoss dann wieder halb in der Erde verschwunden ist, dann sieht man deutlicher, warum.


18. Mai: Inspektion der Hauptwohnungstür und der Trockenlegungsplane. Hoffentlich vergessen sie nicht, das Kellerfenster freizuschneiden ...


Wir sind gespannt, wie es weitergeht. Vor allem, ob das Tempo so beibehalten werden kann.
Fliesen sind schon ausgesucht. Toiletten und Badewanne sowie Laminat müssen erst noch bemustert werden. Und zwar sollte es idealerweise gleich beim ersten Versuch zu einer Entscheidung kommen.
Und wie viele Steckdosen braucht man eigentlich in einem "normalen" Vierpersonenhaushalt? 1048?
Immerhin wissen wir auch schon, dass unsere "alte" Küche in den neuen Küchenraum hineingequetscht werden kann. Mehr oder weniger.




Sonntag, 6. Mai 2012

Sonntags-Pausen-Krimi 13: Allegorie

Allegorie

Grüß Gott. Ha. Da muss ich schon wieder lachen. Ist ja auch mein liebstes Späßchen. Denn wissen Sie, sobald ich das zu Ihnen sage, haben Sie gar keine andere Wahl mehr, als das auch zu tun. Ja, genau, grüßen Sie mir den guten, alten Herrn.
    Wobei, wenn ich mir Ihre Unterlagen so ansehe, könnte es auch durchaus möglich sein, dass Sie den anderen Typen grüßen müssen. Das wäre natürlich nicht so spaßig. Für uns beide. Für Sie sowieso nicht, und für mich nicht, weil ich's ihm nicht gönne.
    Warum schlottern Sie denn so? Heulen und Zähneklappern nützt Ihnen jetzt auch nichts. Dafür bin ich ohnehin die falsche Adresse. Da wenden Sie sich an meinen Kollegen Simon, der Sie einteilt.
    Ach, Sie wissen immer noch nicht, was ich eigentlich von Ihnen will? Ja, richtig, wie unhöflich von mir. Ich habe mich noch nicht einmal vorgestellt. Mal sehen. Schauen Sie, ich habe so viele Namen, da variiere ich gerne ein bisschen.
    Ich heiße Shinigami. Sagt Ihnen nichts? Vielleicht ein wenig zu exotisch. Manche nennen mich auch Ankou. Nein? Vielleicht Azrael? Schon eher? Am liebsten mag ich ja – passen's auf: Boanlkramer. Ha! Gut, oder? Sagen's DAS mal dreimal schnell hintereinander!
    Aber wenn ich als Thanatos unterwegs bin, dann können Sie froh sein, wenn ICH Sie finde, und nicht meine Schwester Ker. Das ist dann nämlich meistens eine ziemlich unappetitliche Angelegenheit.
    Richtig, die Verfahrensweise. Wie soll ich's denn bei Ihnen tun? Persönlich halte ich ja wenig von diesem ganzen Blutvergießen. Das schaut dann zwar spektakulär aus, aber wer soll denn die Sauerei wegmachen? Ich bin mehr für Herzstillstand. Sauber, schnell, geräuschlos. Meist ein Schock für die Umstehenden, aber glauben Sie mir, es ist schade, dass das niemand zu schätzen weiß.
    Ach ja, immer dieses Gemetzel und Geschnetzel. Was für eine Verschwendung, wenn man bedenkt, dass Ihr eigentlich eine ganz wunderbare Erfindung vom Chef seid.
    Sie können sich gar nicht vorstellen, was ich hin und wieder mit ansehen muss. Wie gerne würde ich manchmal den ganzen Krempel hinschmeißen, einfach meinen Hut nehmen. Hab's versucht. Aber ganz ohne Populationskontrolle geht's nun mal nicht. Und finden Sie in meiner Position mal 'nen Stellvertreter oder gar einen Nachfolger. Tse. Hach ja.
    Ach, ich werd' schon wieder sentimental. Aber Sie brauchen mich gar nicht so anzuschauen. Weich werde ich bestimmt nicht. Meinen Job kann ich schon noch erledigen.
    So. Wie denn jetzt? Im Sitzen? Im Stehen? Gleich im Liegen? Wie hätten Sie's gerne? Was? Na, wie soll man Sie vorfinden?
    Herrjeh, der hat's immer noch nicht kapiert! Ich bin gekommen, um Sie mitzunehmen! Heimzuholen! Sie werden jetzt den Löffel abgeben! In's Gras beißen! Wie auch immer.
    Was heißt hier 'Warum denn'? Ihre Zeit ist abgelaufen, finito. Ich habe hier, warten Sie, einen Terminationsauftrag für … Augenblick … hier steht's: Arachmäus Leonides.
    Jawohl. Falls Ihnen also meine Namen, die ich Ihnen vorhin genannt habe, nichts gesagt haben sollten, Sie dürfen mich Hein nennen, Herr Leonides. Meinetwegen auch Freund Hein. Oder Sensenmann. Aber wenn ich Sie so betrachte, fehlt Ihnen für letzteres wohl der Sinn für Humor. Haben mir ja nicht mal 'nen Marillenlikör angeboten oder versucht, mich anderweitig auszutricksen.
    Bitte? Sprechen Sie doch ein wenig lauter, Herr … ach so, mein Würgegriff wird zu fest. Tschuldigung. Also, wie meinten Sie?
    Sie wollen mich jetzt veralbern, oder? Moment. Hier steht aber 'Arachmäus …'. Was soll denn das heißen, das sind nicht Sie? Die Beschreibung und die Adresse stimmen aber! Dunkle, kurze Haare, ausladender Schnurrbart …
    Was? Ausweispapiere? Ja, gut. Zeigen Sie mal her.
    Hoppla. Ja. Sieht … ganz so aus, als, ja, als wäre mir da ein ganz kleiner, ein klitzekleiner Fehler … Ah, ich sehe schon, Sie sind … ja .. Sie haben ja noch Zeit.
    Was machen Sie eigentlich beruflich? Ach, Schriftsteller? Naja. Na gut. Ja, mein aufrichtiges … nein … das ... passt ja dann jetzt wohl nicht so ganz.
    Und wo ist dann eigentlich der Herr Leonides? Ach so, im Nebenhaus? Oh je.
    Sagen Sie, Sie könnten mir nicht eventuell versprechen, das für sich zu behalten? Also, das wäre mir wirklich sehr recht. Ist ja in der Tat ein wenig peinlich für mich, nicht? Wobei, das kann ja jedermann mal passieren, gell?
    Tja, also dann, bis in ein paar Jährchen. Auf Wiedersehen, werter Herr von Hofmannsthal.


Copyright Esther Koch 04. Mai 2012